Kammgarne und Streichgarne: Was ist der Unterschied?

Kammgarne und Streichgarne: Was ist der Unterschied?

Wir schauen uns heute Kammgarn und Streichgarn genauer an. Wir sprechen über den Herstellungsprozess, die Eigenschaften der beiden Garne und wie du sie bei deinen (Strick-) Projekten einsetzen kannst.

Von Claudia Ostrop

Wenn du dich für Wolle und Garn interessierst – egal ob du gerne strickst, häkelst oder webst oder einfach gern in einem Wollgeschäft die Angebote bestaunst – dann bist du vielleicht schon mal über die Begriffe „Kammgarn“ und „Streichgarn“ gestolpert. Weißt du, was sich hinter diesen Bezeichnungen verbirgt? Was ist der Unterschied zwischen den beiden Garnarten, und warum sollte es dich überhaupt interessieren?

Wir schauen uns heute Kammgarn und Streichgarn genauer an. Wir sprechen über den Herstellungsprozess, die Eigenschaften der beiden Garne und wie du sie bei deinen (Strick-) Projekten einsetzen kannst.

Keine Sorge – es wird kein trockener Ausflug in die Textiltechnik. Das Ganze bleibt locker und verständlich, versprochen!

Der Weg zur Wolle: Herstellung von Kammgarn und Streichgarn

Bevor es um die Unterschiede geht, werfen wir einen Blick auf die grundlegenden Herstellungsprozesse. Denn hier liegt der Kern dessen, was Kamm- und Streichgarn voneinander unterscheidet.

Streichgarn – Das "wilde" Garn

Der Herstellungsprozess von Streichgarn ist ein relativ kurzes Verfahren und nicht so aufwändig wie der von Kammgarn.

Die gereinigte Rohwolle wird zunächst kardiert. Beim Kardieren (diesen Prozess nennt man übrigens auch Streichen) wird die Wolle durch rotierende Drahtbürsten geführt, damit die einzelnen Fasern voneinander gelöst werden (wer möchte schon Filzklumpen in seinem Garn haben!). Ist der Kardierprozess beendet, sind alle Fasern voneinander getrennt und liegen in etwa in derselben Richtung – allerdings nicht richtig ordentlich, sondern nur grob ausgerichtet. Das beim Kardieren entstandene Vlies enthält neben unterschiedlich langen Fasern auch jede Menge Luft. Diese bleibt auch beim Verspinnen erhalten und so entsteht ein lockeres, luftiges Garn.

Streichgarne haben eine eher unregelmäßige Struktur, da die Fasern nicht perfekt ausgerichtet sind. Dadurch ist das Garn weich, voluminös und oft ein wenig „haariger“. Diese leichte „Fusseligkeit“ macht das Garn besonders warm und kuschelig.

Ein Streichgarn könnte man mit den Menschen auf einer Steh-Party vergleichen, bei der zwar alle Gäste irgendwie zusammen, aber dennoch durcheinander stehen.

Auch im Pascuali-Sortiment finden sich natürlich Streichgarne:

Das sind Cashmere Lace, Cashmere 6/28, Cashmere Worsted (die uns aber bald verlässt), Puno und Puno Winikunka, Re-Jeans, Nepal und Camel DK

Kammgarn – Die „ordentliche“ Variante

Kammgarn wird in einem deutlich umfangreicheren Prozess hergestellt. Die Wollfasern werden nach dem Kardieren sorgfältig gekämmt. Dabei werden alle kürzeren und ungeordneten Fasern entfernt, zurück bleiben die langen, parallel ausgerichteten Fasern, die eng aneinander liegen, ohne viel Luft dazwischen.

Da die Fasern so schön ordentlich ausgerichtet sind, ergibt sich ein glattes, festes und gleichmäßiges Garn. Kammgarne sind in der Regel feiner und vor allem dichter als Streichgarne. Sie wirken weniger „fusselig“ und haben oft einen leichten Glanz.

Um das Bild von der Party noch einmal aufzugreifen: stell dir fürs Kammgarn nun vor, die Party-Gesellschaft baut sich für ein Gruppenfoto auf – alle stehen gerade und ordentlich nebeneinander und gucken in dieselbe Richtung.

Eigenschaften von Kammgarn und Streichgarn im Vergleich

Wir wissen nun, wie Kamm- und Streichgarne hergestellt werden. Zu welchen Eigenschaften beim fertigen Garn führt die unterschiedliche Bearbeitung der Wollfasern?

Optik und Struktur

Streichgarne haben durch die ungleichmäßige Struktur der Fasern eine eher rustikale Optik. Die Oberfläche ist oft etwas haariger, was dem Garn ein flauschiges Aussehen verleiht. Strickstücke aus Streichgarn wirken weicher und voluminöser, was sie perfekt für gemütliche Winterpullover und Schals macht. 

Kammgarne hingegen haben eine viel glattere und gleichmäßigere Oberfläche. Die Fasern sind ordentlich ausgerichtet, wodurch das Garn mitunter sogar eine leicht glänzende Optik aufweist. Strickstücke aus Kammgarn wirken oft eleganter und „aufgeräumter“. Sie haben eine definiertere Struktur, sodass Muster (wie Zopfmuster oder Lace-Arbeiten) klarer und präziser zur Geltung kommen können – im Zweifelsfall kommt es aber auf das konkrete Design an. (Bild: Links - Streichgarn; Rechts - Kammgarn)

Weichheit und Tragekomfort

Streichgarne sind in der Regel sehr weich und fluffig. Durch die lose Verspinnung und die Vermischung von kurzen und langen Fasern fühlt sich Streichgarn oft kuscheliger an. Allerdings kann Streichgarn bei besonders empfindlicher Haut auch ein bisschen kratzig wirken, besonders wenn es aus gröberer Wolle besteht – denn durch das Ungekämmte stehen einzelne Fasern auch mal quer und können so an der Haut kribbeln.

 

Kammgarne hingegen fühlen sich glatter und dadurch etwas „kühler“ an. Da die Fasern dichter und gleichmäßiger sind, hat Kammgarn eine festere Struktur und ist in der Regel weniger flauschig. Strickstücke aus Kammgarn sind meist sehr angenehm auf der Haut, vor allem, wenn feine Fasern wie Merinowolle verwendet werden.

 


Wärmeisolierung

Wenn es um Wärme geht, sind Streichgarne unschlagbar. Durch die unregelmäßige Struktur der Fasern entstehen kleine Lufteinschlüsse im Garn, die hervorragend isolieren. Dadurch halten Strickstücke aus Streichgarn wunderbar warm – ideal für kalte Wintertage.

Kammgarne isolieren zwar auch, aber durch die dichtere und festere Struktur halten sie weniger Wärme zurück als Streichgarne.

Nachhaltigkeit

Das ideale Garn bestünde aus Fasern von exakt gleicher Länge – das ist in der Natur jedoch nicht möglich. Lange Fasern eignen sich gut zum Kämmen; zu kurze Fasern werden als Abfall betrachtet und recycelt. Für die Herstellung von kostengünstigen Garnen werden häufig die kurzen Fasern (genaugenommen der Abfall) verwendet und damit Streichgarne produziert. Dieses ist zwar zunächst preiswerter, es neigt jedoch meist viel stärker zu Fusseln und Pilling als hochwertige Kammgarne. Deshalb stehen wir z.B. auch ein wenig mit den oft beworbenen Kaschmir-Recycling-Garnen auf Kriegsfuß – sind die Fasern, die für Streichgarne verwendet werden, besonders kurz, ist diese meist auch die Haltbarkeit des daraus gestrickten Stücks.

Wann solltest du welches Garn verwenden? 

Nun liegt die Frage nah, welches Garn man denn am besten für das nächste Projekt aussuchen sollte. Die klare Antwort: Es kommt darauf an…

Die Wahl zwischen Kammgarn und Streichgarn hängt stark davon ab, was du stricken oder häkeln möchtest und welche Eigenschaften dir bei deinem Strickstück wichtig sind.

Für kuschelige, warme Projekte: Streichgarn

Pullover BATU

Wenn du für kalte Wintertage einen dicken, gemütlichen Pullover stricken möchtest, greifst du am besten zu Streichgarn. Die voluminöse, weiche Struktur sorgt dafür, dass dein Strickstück nicht nur warm, sondern auch super gemütlich wird. Auch für Accessoires wie Mützen, Schals oder Decken ist Streichgarn ideal, da es sich leicht verarbeiten lässt und eine angenehme Haptik hat. (Bild: Pullover BATU)

Streichgarne eignen sich aber auch gut für leichte Strickstücke oder für weniger dicke Oberteile: durch die Lufteinschlüsse ist es sehr gut thermoregulierend und auch Wärme (von außen) abzuhalten.

 

(Nicht nur) für feine, elegante Strickstücke: Kammgarn

Top ZAYA

Wenn du hingegen ein feineres Strickstück planst – vielleicht ein leichtes Sommertuch, ein eleganter Schal oder ein Pulli für den Frühling – dann ist Kammgarn die bessere Wahl. Die glatte, gleichmäßige Struktur lässt Muster wunderbar zur Geltung kommen und gibt deinem Strickstück ein edles Aussehen. (Bild: Top ZAYA)

Allerdings sind viele Kammgarne durch ihre Lauflänge bedingt nicht fein im Sinne von zart und delikat, sondern richtig üppig: Nimm z.B. unsere Maximo, Tibetan, Sayama und Cashmere Charis, sie sind so schön dick und kuschelig!

Sie können genauso wie Streichgarne zu wunderbar dicken und wärmenden Oberteilen und Accessoires verstrickt werden.

So bleibt es am Ende vor allem eine Frage des Geschmacks, welches Garn dich mehr ansprechen wird. Streichgarne neigen, stärker als Kammgarne, zum Pilling, also zu jener lästigen Fusselbildung, weil die einzelnen Fasern lockerer miteinander verbunden sind. Wenn man Streichgarne locker verstrickt und die Strickstücke starker Reibung ausgesetzt sind, wird man des Öfteren zum Fusselrasierer oder zur -bürste greifen müssen. Wird ein Streichgarn allerdings fest verstrickt, halten die Fasern gut zusammen und man erhält ein durchaus langlebiges Strickstück.

Wenn du dir übrigens nicht sicher bist, ob du gerade ein Kamm- oder ein Streichgarn verstrickst: Mach einfach die Reißprobe! Der Faden eines Streichgarns lässt sich mühelos mit den Händen durchreißen. Beim Kammgarn geht das deutlich schwerer und man tut gut daran, eine Schere zu verwenden.

Eine Frage des Preises 

Ein weiterer Punkt, der ausschlaggebend bei der Entscheidung zwischen Kammgarn und Streichgarn sein kann, ist natürlich der Preis. Da der Herstellungsprozess von Kammgarn aufwändiger ist (das Kämmen und Aussortieren der kurzen Fasern erfordert schließlich zusätzliche Arbeitsschritte), ist Kammgarn in der Regel teurer als Streichgarn.

Man muss aber ganz klar sagen, dass die Qualität von Kammgarn einfach höher ist, und Qualität einfach ihren Preis hat.

Bei gewöhnlicher Baumwolle z.B. sind die Fasern generell eher kurz. In diesem Fall wird nicht gekämmt, um die Abfallmengen gering zu halten. Einfache Baumwolle ist deshalb sehr günstig zu haben. Pima-Baumwolle hingegen, wie wir sie für unsere Garne Cumbria und Sole verwenden, hat deutlich längere Fasern, die sich hervorragend kämmen lassen und zu Garnen mit entsprechend höherer Qualität führen. 

Wenn du also ein Projekt mit einem begrenzten Budget planst, könnten Streichgarne deine Wahl sein, da sie oftmals etwas günstiger sind. Der Preis hängt natürlich nicht zuletzt von den verwendeten Fasern ab – wird luxuriöses Kaschmir-Haar verwendet, ist natürlich auch ein Streichgarn daraus kein Schnäppchen. Kaschmir wird übrigens meistens als Streichgarn angeboten, weil die Fasern generell sehr fein und kurz sind. Es wird deshalb in der Regel nicht gekämmt – und die Kunden verbinden mit Kaschmir ohnehin ein flauschigeres Garn, das sie so in einer Kammgarnvariante gar nicht bekämen.

Nehmen wir als letztes Beispiel Merino mit Seide. Diese Kombination findet man auf dem Markt in vielen Preissegmenten. Unsere Saffira zeichnet sich durch hochwertige Maulbeerseide aus, die als Monofilament (also als ein einzelner langer Faden) vorliegt und auf die Länge der Merinowolle zugeschnitten wird. Dies ermöglicht die Herstellung eines Kammgarns, das kaum Pilling und Fusseln aufweist und seinen wunderschönen Glanz dauerhaft beibehält.

Re-Jeans; Nepal; Camel DK

Fazit: Kammgarn oder Streichgarn?

Ob du dich für Kammgarn oder Streichgarn entscheidest, hängt ganz von deinem Projekt, deinen persönlichen Vorlieben und dem gewünschten Endergebnis ab. 

Wir von Pascuali produzieren, wann immer möglich, Kammgarne, da sie qualitativ den Streichgarnen einfach überlegen sind. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel:

Puno und Puno Winikunka werden als Streichgarne produziert, weil Alpakafasern rund 10 cm, die der Baumwolle aber nur 3,5 cm lang sind. Oder eben unsere Garne Cashmere und Camel DK, die aufgrund der kurzen Faserlänge von etwa 3,5 cm nicht gut kämmbar sind und der Kundenerwartung an ein flauschiges Produkt entsprechend als Streichgarne hergestellt werden. Re-Jeans wird aus recycelten Materialien mit fürs Kämmen meist zu kurzen Fasern gefertigt, und unser Nepal-Garn kombiniert ungekämmte Baumwolle mit bereits gekämmtem Leinen in einem Garn.

Am Ende des Tages ist es das Beste, einfach beide Garntypen auszuprobieren und selbst herauszufinden, welcher dir am besten gefällt! Egal für welches du dich entscheidest, eins ist sicher: Stricken macht immer Spaß – und das perfekte Garn zu finden, ist Teil des kreativen Prozesses.  

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