Von Claudia Ostrop
So, die letzte Masche ist abgekettet, schnell noch Fäden vernähen und fertig!
Halt, da geht noch was…
Natürlich ist es verlockend: Der kuschelige Pullover, die stylische Strickjacke oder das große Tuch sind fertiggestrickt, und dann möchte man die Sachen ja auch tragen. Aber auch wenn ein schönes Strickstück darauf wartet, zum ersten Mal ausgeführt zu werden, sollte man noch ein bisschen Geduld haben um aus einem schönen Teil ein richtig schönes Teil werden zu lassen!
Es steht unter jeder Pascuali-Anleitung (und auch unter denen vieler anderer Designer): Bitte dem fertigen Strickstück ein entspannendes Bad gönnen. Nicht nur wird es so frisch und sauber, vor allem bekommt das Maschenbild so auch die Möglichkeit, aufzublühen. Die allermeisten Garne entfalten ihre volle Schönheit erst mit dem ersten Waschen, denn die Fasern können entspannen und auch leichte Spannungsunterschiede zwischen den Maschen können damit ausgeglichen werden. Vergleicht man „frisch gestrickt“ mit „frisch gewaschen“, so ist das Maschenbild eigentlich ausnahmslos schöner und gleichmäßiger, wenn das Gestrick ein Bad genießen durfte.
Waschen oder nur Anfeuchten?
Mitunter findet man den Tipp, dass es reichen würde, ein Strickstück anzufeuchten, um es anschließend zu spannen: Mit einer Sprühflasche einsprühen oder eine Weile mit einem feuchten Tuch bedecken. Oder gar mit dem Dampfbügeleisen „bearbeiten“.
Doch ganz ehrlich – im Garn können sich immer noch Rückstände aus dem Produktions- und Lagerprozess finden, vielleicht habt ihr euer Projekt auch mal hier, mal dorthin mitgenommen, im Café oder in der Bahn gestrickt – Waschen schadet bestimmt nicht beim Start ins gemeinsame Leben…
Am besten weicht ihr das gute Stück in lauwarmem Wasser ein. Im Waschbecken oder einer Schüssel mit einem kleinen Schuss Wollwaschmittel lasst ihr es dann 15 bis 20 Minuten entspannen. Danach vorsichtig ausspülen und ausdrücken. Ein dickes Frottierhandtuch nimmt dabei viel Restfeuchte auf. Viele Tipps, wie man Wolle und Handgestricktes am besten pflegt, findet ihr übrigens hier.
Wenn das Strickstück nur noch feucht ist (also nicht mehr triefnass), geht es ans Trocknen: Und bei der Gelegenheit wird, wenn nötig, gespannt.
Spannen? In Form ziehen? Und was ist eigentlich Blocken?
Auch in deutschsprachigen Texten wird manchmal vom „Blocken“ gesprochen. Was bedeutet das? Ist das etwas anderes als „Spannen“? Nein! Blocken ist einfach nur das englische Wort für Spannen. Es sind also keine unterschiedlichen Techniken.
Spannen bedeutet, das feuchte Strickstück in die gewünschte Form zu bringen und bis zum vollständigen Trocknen in dieser Position zu fixieren.
Muss man einen neuen Pullover, ein Tuch oder Socken (oder was auch immer man gestrickt hat) denn wirklich immer Spannen? Klare Antwort: Nein.
Wenn ein Strickstück nach der Fertigstellung und dem Waschen die Form hat, die man sich wünscht, reicht es meist, es flach liegend trocknen zu lassen.
Socken und Mützen spannen sich mit dem ersten Tragen ohnehin von ganz allein…
Lace-Muster hingegen kommen erst mit der richtigen Nachbehandlung schön zur Geltung. Hier hilft das Spannen, die luftigen Muster zu öffnen und gut sichtbar zu machen. Bei Tüchern rollen sich sehr oft die Ränder ein – auch sie profitieren davon, zum Trocknen gespannt zu werden.
In Form ziehen
Bei vielen Strickstücken reicht es, sie zum Trocknen ein wenig in Form zu ziehen. Breitet man z.B. einen Pullover auf einem Frottierhandtuch aus, hält dessen grobe Struktur das Gestrick in aller Regel in der gewünschten Form. Falls man nichts oder nur wenig an den Maßen korrigieren möchte, reicht das in-Form-ziehen völlig. Man kann den Ausschnitt ein wenig weiten, ebenso den Körper, oder aber die Ärmel und/oder den Körper etwas in die Länge ziehen.
Während man Strickjacken oder -pullover niemals auf einem Bügel trocknen lassen sollte (das leiert aus!), kann man sich die Schwerkraft allerdings in Maßen auch zunutze machen:
Möchte man z.B. die Ärmel eines fertigen Strickstücks etwas länger haben (weil man zu ungeduldig war und zu früh abgekettet hat…), legt man das Oberteil auf einen Wäscheständer (Handtuch drunter!) und lässt die Ärmel seitlich runterhängen. Zwischendurch aber kontrollieren! Und zu nass sollte das Gestrick dafür auch nicht mehr sein.
Sind die Ärmel passend, der Körper soll hingegen etwas mehr Länge haben, kann man sich mit einem Besenstiel behelfen: Durch die Ärmel führen und dann zwischen zwei Stühlen aufhängen. Der Körper kann sich so ein wenig aushängen – aber auch hier gilt: zwischendurch gucken, dass er nicht zu lang wird.
Spannen
Wenn ein Lace-Muster richtig herausgearbeitet werden soll, wenn die Form eines Oberteils definiert werden soll oder wenn starkes Einrollen oder Verziehen von Strickstücken korrigiert werden soll, wird gespannt. Nun braucht es Zubehör!
Zunächst bedarf es einer Unterlage, auf der das Strickstück ausgebreitet und fixiert werden kann.
Es gibt eigens dafür Spannplatten aus dickem Moosgummi, die wie Puzzle-Teile zur gewünschten Größe und Form zusammengesteckt werden können. Eine gute (meist preiswertere) Alternative die so genannten Puzzlematten, die es für Kinder gibt. Aber auch eine Yogamatte oder Styroporplatten eignen sich, um darauf ein Strickstück zu spannen. Entscheidend ist, dass die Unterlage dick und weich genug ist, um die Spannnadeln aufzunehmen und festzuhalten. Denn so geht’s:
Das ausgedrückte, feuchte Strickstück wird auf der Unterlage ausgebreitet und in Form gezogen. Dazu werden T-Nadeln oder Kammnadeln in den Rand des Gestricks gesteckt und dieser so in der gewünschten Position fixiert. T-Nadeln sehen aus wie große Stecknadeln, nur dass sie statt eines Kopfes einen querliegenden Draht haben (und deshalb wie ein T aussehen). Sie eigenen sich besonders für punktuelles Spannen, z.B. wenn man einen Picot-Rand ausarbeiten und betonen möchte. Wenn man eine gerade Kante haben möchte, muss man mit T-Nadeln aufpassen, dass der Rand keine ungewollten Ausbuchtungen bekommt. Oder man greift zu Kammnadeln: Im Pascuali-Shop bekommt ihr welche mit 4 bzw. 8 Nadeln, die sich besonders gut eignen, um längere gerade Kanten sauber zu fixieren.
Möchte man große Tücher spannen, sind Spanndrähte die perfekte Lösung: Die dünnen Drähte werden durch die Außenkanten des Gestricks gefädelt und mit T-Nadeln auf der Unterlage fixiert. So wird eine besonders gleichmäßige Spannung gewährleistet, und man erhält eine perfekt gerade Kante.
Mit Hilfe flexibler Drähte können auch Rundungen ideal in Form gebracht werden.
Socken und Mützen in Form bringen
Weiter oben ging es ja schon um Socken und Mützen, die eigentlich nicht gespannt werden müssen, weil sie schließlich beim Tragen von den Füßen und dem Kopf gespannt werden.
Die so genannten Sockenbretter oder Socken-Blocker sind denn auch mehr zum schönen Präsentieren von selbstgestrickten Socken geeignet, als dass sie zum Spannen benötigt werden. Die Holzbretter sind der Silhouette eines Fußes nachempfunden und Socken können auf ihnen faltenfrei getrocknet (oder vorgeführt) werden.
Mützen lassen sich nach dem Waschen auf ganz einfache Weise so trocknen, dass sie keine Knickfalten bekommen: Man bläst einfach einen Luftballon in Größe des ungefähren Kopfumfangs auf. Die frisch gewaschene Mütze über den Ballon ziehen und trocknen lassen. Fertig!
Vielleicht fragt ihr euch zu guter Letzt, ob man Stricksachen auch Spannen muss, wenn man sie zwischendurch mal wäscht. Keine Sorge, meist reicht es, die Sachen wie oben beschrieben in Form zu ziehen und trocknen zu lassen. Lediglich bei großen Tüchern, Strickstücken aus Lace-Garnen oder mit Lace-Mustern, wird man auch nach der Wäsche wieder zu den Spann-Utensilien greifen müssen. Sie verlieren mit dem Bad sehr wahrscheinlich ihre vorherige Idealform. Doch da man Wollsachen nicht wirklich oft waschen muss, sollte dieser Mehraufwand euch nicht abschrecken.