Von Sandra Sonnenburg
Unsere wunderbaren Garne versenden wir weltweit, und internationale Designer entwerfen daraus herrliche Anleitungen. In unserer Blogserie „Im Interview“ haben wir schon einige namhafte Designerinnen vorgestellt, heute haben wir den ersten männlichen Designer im Bloginterview:
Den taiwanesischen Designer Rastus Hsu.
Rastus hat schon einige Designs aus unseren Garnen entworfen, darunter die Stola Ivy aus Balayage, das Dreieckstuch Yessica Shawl aus Saffira und zuletzt und brandneu einen wahnsinnig schönen Zopfpullover Oden aus Maximo.
Herzlich willkommen, Rastus, zu unserem Bloginterview.
Für alle, die Dich noch nicht kennen: Möchtest Du Dich unserem Publikum kurz vorstellen?
Mein Name ist Rastus, und ich lebe zusammen mit meinem Mann in der historischen Stadt Danshuei an der Nordküste Taiwans. Mit 18 Jahren bin ich dorthin gezogen, um Spanisch und Spanische Kulturen an der dortigen Universität zu studieren, und einen Master-Abschluss als Übersetzer in Spanisch-Mandarin zu erwerben. Nach der Uni und dem einjährigen Militärdienst, der bei uns verpflichtend ist, habe ich mein Handstrick-Business gestartet und begonnen, meine Werke auf einem Kunstgewerbemarkt in Taipei zu verkaufen.
Wie bist Du zum Stricken gekommen? Wer hat es Dir beigebracht?
Meine erste Erinnerung ans Stricken kommt von meiner Mama. Sie ist eine leidenschaftliche Strickerin und hat einen Laden eröffnet, als ich 13 war. Ich habe sehr viel Zeit in ihrem Geschäft verbracht und sie und ihre Freundinnen beim Stricken aller möglichen Projekte beobachtet. Wenn ich mich unbeobachtet fühlte, habe ich die Nadeln in die Hand genommen und versucht, die Bewegungen nachzuahmen, die ich vorher beobachtet hatte. So habe ich immerhin das Aufnehmen von Maschen und glatt rechts stricken gelernt. Da ich aber in der Schule sehr viel zu tun hatte, habe ich das Stricken nicht weiterverfolgt.
Erinnerst Du Dich noch an Dein allererstes Strickprojekt?
Ja! Es war eine Mütze im 2x2 Rippenmuster, flach gestrickt und dann an zwei Seiten zusammengenäht. Ich erinnere mich, dass ich ein YouTube-Tutorial aufgespürt hatte und das wieder und wieder abgespielt habe, um die einzelnen Arbeitsschritte nachzuarbeiten. Keine Ahnung, warum ich mir kein Video für eine rundgestrickte Mütze gesucht habe, denn die Nähte der Mütze waren einfach eine Katastrophe.
Seit wann entwirfst Du Deine eigenen Anleitungen, und wie bist Du zum Strickdesigner geworden?
Ich liebe Mode und interessiere mich schon immer für verschiedene Stile und Formen. Als ich zwischen 2013 und 2018 meine Strickmodelle auf dem Kunsthandwerkermarkt in Taipei verkaufte, waren darunter häufig Accessoires, die ich nach meinem Geschmack gestaltet hatte. Zu meiner Überraschung wurden diese sehr gut nachgefragt, und so konnte ich über die Jahre eine Menge Stammkunden gewinnen, die jeden Winter bei mir kauften. Im Sommer 2018 habe ich mich entschlossen, mein Geschäft auszuweiten, den meine Möglichkeiten auf dem Kunsthandwerkermarkt stießen an ihre Grenzen. So konnte ich beispielsweise keine Kleidung oder eine große Stola entwerfen, da diese für meine Kunden zu teuer gewesen wäre und außerdem zu viel Strickzeit für die Fertigstellung in Anspruch nahmen. So traf ich die Entscheidung, nicht mehr auf dem Markt zu verkaufen, sondern mich auf das Entwerfen und Schreiben von Anleitungen zu konzentrieren, und Stricktutorials auf Mandarin bei YouTube zu veröffentlichen.
Ist Dein Label eine One-Man-Show, oder hast Du ein Team im Hintergrund?
Ich stehe natürlich für mein Label Rastus Knits in der Öffentlichkeit, aber ohne die Hilfe meines Mannes würde ich nicht erfolgreich arbeiten können. Er hat einen unschlagbaren Sinn für Muster und Farben, viel besser als ich, und er ist sehr methodisch und detailorientiert. Wenn ich eine Idee habe, bespreche ich sie mit ihm, und er gibt mir konstruktive Vorschläge zur Umsetzung und weist mich auf Detailfragen hin, die ich bis dahin noch nicht bedacht habe. Außerdem liebt er es, Fair Isle Muster zu gestalten. Das heißt, er stellt die Muster zusammen und bestimmt die Farben, und ich stricke diese dann nach. Da er aber eine sehr zurückhaltende Persönlichkeit ist, bleibt er lieber hinter den Kulissen. Ganz anders als ich! 😊
Wie entstand der Kontakt zu Pascuali?
Auf Pascuali wurde ich aufmerksam, als Paul mir über Instagram eine Nachricht schickte. Darin stellte er das Unternehmen vor und fragte mich, ob ich gerne Designs aus Pascuali-Garnen entwerfen würde. Ich bin so froh über diese Nachricht, den ich ziehe sehr viel Inspiration aus den verschiedenen Garnen von Pascuali.
Du hast nun schon einige Designs aus unseren Garnen entworfen. Hast Du darunter schon einen Liebling?
Das ist eine knifflige Frage! Bisher habe ich mit Balayage, Saffira und Maximo gearbeitet, und ich liebe alle drei Garne. Sie sind allerdings schwer zu vergleichen, denn jedes Garn hat seine unverwechselbaren Eigenschaften, die es einzigartig machen, und jedes Garn eignet sich für eine bestimmte Art von Projekten und Designelemente. Eigentlich mag ich die Garne von Pascuali genau deshalb: Sie sind so verschieden, aber alle sind sehr hochwertig und perfekt, um daraus herrliche Strickwaren herzustellen.
Welche Eigenschaften macht ein Garn für Dich zum Lieblingsgarn?
Für mich ist der erste Eindruck, das erste Anfühlen, sehr wichtig. Ein Garn muss sich weich und sozusagen “gemütlich” anfühlen. Ich mag elastische Garne sehr gern, denn sie ergeben ein klares Maschenbild, das die Garneigenschaften und Muster gut herausbringt.
Deine Designs haben ein gemeinsames Merkmal: Sie spielen mit Strukturen. Lochmuster, Noppen, Zöpfe und manchmal auch einfach nur raffinierte Strukturmuster lassen manche Deine Designs wie architektonische Kunstwerke wirken. Woher kommt Deine Vorliebe für diese Strukturmuster?
Mich faszinieren die geometrischen Linien und Formen aus der Architektur. Wenn man sie genauer betrachtet und analysiert, fällt auf, wie einfach diese Linien im Grunde sind. Mit rechten Winkeln und der richtigen Anordnung zueinander entstehen die erstaunlichen optischen Effekte. Wenn ich also ein Design entwerfe, achte ich immer darauf, nur ein oder zwei Designelemente zu verwenden und sicherzustellen, dass diese entweder für sich allein funktionieren oder aber einander ergänzen, um damit den gewünschten Effekt zu erreichen.
Bisher hast Du Accessoires wie Stolas, Tücher und Mützen entworfen. Ist der Oden Pullover Dein erstes Design für ein Kleidungsstück? Wie kam es dazu?
Ja, Oden ist tatsächlich mein allererstes Design für ein Kleidungsstück. Accessoires zu entwerfen ist meine Komfortzone, das mache ich seit 2013. Bisher habe ich nur Kleidung für mich selbst entworfen. Allerdings gab es die Idee, auch Kleidung zu entwerfen schon einige Jahre in meinem Kopf. Auch meine Follower haben mich schon häufig nach Anleitungen für Kleidung gefragt, bei denen ihre Lieblings-Designelemente wie zum Beispiel bestimmte Strukturen und klare Linien vorkommen sollten. Im letzten Winter habe ich mir fest vorgenommen, in dieser Wintersaison ein Kleidungsstück herauszubringen. Dann sprach Paul mich wieder an, ob ich gerne wieder etwas mit einem Pascuali-Garn machen möchte – und das Timing war perfekt!
Legst Du besonderen Wert darauf, dass Deine Designs Unisex sind?
Ja, das ist für mich ein sehr wichtiger Aspekt. Wenn man sich die Welt der Strickdesigns anschaut, gibt es so viele Designer, die großartige, wunderschöne Entwürfe herausbringen, die nur auf den weiblichen Markt ausgerichtet sind. Ich möchte das anders angehen und biete diversere Designs, die jeder und jede nachstricken und tragen kann. Meine Designs sind daher bewusst Unisex: Sie sollen an jedem Körper, egal welchen Geschlechts, gut aussehen. Denn natürlich – ganz eigensüchtig – möchte ich meine Entwürfe auch selbst gern tragen.
Hast Du besondere Quellen, aus denen Du die Inspirationen für Deine Designs schöpfst?
Ich schaue mir viele Modenschauen an und lese sehr viele Modemagazine und Modeblogs. Dies sind meine Quellen, um mich über die aktuellen Trends zu informieren. Diese kombiniere ich dann mit meinem eigenen Sinn für Ästhetik, Mustern und Formen, die ich in meiner Umwelt wahrnehme, den Farben eines Kunstwerks oder der Natur. Wenn man mit wachen Augen seine Umwelt betrachtet, gehen einem nie die Inspirationsquellen aus.
Wie entstehen Deine Anleitungen? Ist da erst eine Idee im Kopf, oder inspiriert Dich ein Garn zu einem bestimmten Muster? Arbeitest Du planvoll oder entstehen Deine Entwürfe durch das Prinzip Try-and-Error?
Ich würde nicht sagen, dass ich eine bestimmte Arbeitsweise verfolge. Eher ist es so, dass mich eine bestimmte Form oder eine Struktur, die ich im Alltag sehe, anzieht. Dann fängt mein Gehirn an, diese Wahrnehmung in ein Strickmuster zu übersetzen und ich suche nach dem perfekten Garn dafür (oder warte, dass das Garn mich findet). Manchmal klappt es nicht wie geplant, aber am Ende kommt immer etwas Neues, Einzigartiges heraus. Zum Beispiel sind viele meiner Origami-Designs auf diese Weise entstanden: Ich hatte eine Idee darüber, wie das Muster ungefähr aussehen sollte, habe Proben gestrickt, die allerdings nicht meiner Vorstellung gerecht wurden. Allerdings bin ich immer offen für alles, und so sehe ich auch in vermeintlichen Fehlschlägen die Chance für neue Muster. Es ist dieses Überraschungsmoment, weshalb ich das Stricken so liebe!
Wie wir alle wissen, ist Stricken ein Hobby, das weltweit sehr viele Menschen teilen. Unser Publikum ist weitgehend in Europa und den USA angesiedelt und interessiert sich für Eindrücke aus der Strickwelt anderer Kontinente. Erzähle uns doch bitte. Welche Bedeutung hat das Stricken in Taiwan? Ist es dort genauso im Trend wie im Westen?
Taiwan ist ein tropisches bzw. subtropisches Land. Daher haben wir nicht so ein kaltes Klima, wie es in vielen anderen Ländern vorherrscht. Dennoch gibt es eine Strick-Community in Taiwan, die dieses Handwerk lieben. In Taiwan gibt es viele Wollgeschäfte, sowohl stationäre als auch Online-Shops, und die Zahl der Garnanbieter und auch die Zahl der Handfärber steigt stetig. In den letzten Jahren steigen immer mehr junge Leute in das Hobby ein und lassen sich inspirieren durch all die Fasern und Farben, zu denen wir jetzt so leicht Zugang haben.
Gibt es vielleicht besondere Techniken oder Muster, die für Taiwan oder allgemeiner gesprochen für Asien typisch sind?
Die taiwanesische Strickszene ist stark beeinflusst durch die japanischen Stricktechniken, bedingt durch unsere gemeinsame Geschichte (Taiwan war für 50 Jahre eine japanische Kolonie). Die meisten Stricklehrer*innen erhalten ihre Zertifizierung durch Strickkurse der Japanese Handcraft Instructors’ Association. Daher sind die Anleitungen dann eher knappgehalten und beziehen sich oft auf Charts statt auf ausgeschriebene Texte.
Stricken ist ein Hobby, das man typischerweise weiblich assoziiert. Wir wissen natürlich, dass auch immer mehr Männer stricken, aber es interessiert uns doch: Wie reagiert Deine Umwelt auf Deinen Beruf als Strickdesigner? Würdest Du Dich als Exoten bezeichnen?
Wir Taiwanesen sind sehr offene Menschen. Als ich noch im Kunsthandwerkermarkt arbeitete, saß ich immer mit meinem Strickzeug in meinem Stand. Es war mir zum einen wichtig zu zeigen, dass meine Strickwaren tatsächlich handgestrickt sind, und zum anderen wollte ich die Idee verbreiten, dass Stricken ein Hobby für alle ist, unabhängig von ihrem Geschlecht. Viele Leute blieben stehen und schauten, sagten “Es ist sehr selten, einen Mann beim Stricken zu sehen”, und machten mir Komplimente zu meinen Arbeiten. Natürlich gab es auch einige, die Stricken als “Frauenhobby“ bezeichneten oder sagten „Du als Mann verrichtest Frauenarbeit“. Aber in den fünf Jahren meiner Arbeit auf dem Markt waren das vielleicht insgesamt fünf Personen.
Wo überall auf der Welt befindet sich Dein Publikum?
Das Tolle am Internet und an den sozialen Medien ist, dass man sich ganz einfach mit Menschen überall auf der Welt vernetzen kann, die die gleichen Interessen und Leidenschaften teilen. Zum Glück spreche ich Englisch, Spanisch und natürlich meine Muttersprache Mandarin: Damit kann ich mit 30% der Weltbevölkerung kommunizieren! Über Instagram bin ich hauptsächlich mit meiner Community in den USA, Europa und Südamerika verbunden. Mit meinem YouTube-Kanal und Facebook erreiche ich meine Follower in Taiwan, Hongkong, Malaysia und Singapore. Es macht mich sehr glücklich, dass ich mich über meine Strickliebe mit so vielen Menschen in der Welt austauschen kann!
Für Hobbystricker*innen bedeutet Stricken den Rückzug aus dem Alltag, bei dem man etwas Kreatives mit den Händen schaffen kann. Viele finden beim Stricken Ruhe und Entspannung. Wie ist es bei Dir – ist das Stricken eher „Arbeit“ oder Spaß?
Ich würde sagen, Stricken ist zu 80% Spaß für mich. Ich mag den Prozess, eine Idee im Kopf zu haben und zu versuchen, diese über das Garn und die Nadeln sichtbar zu machen. Es macht mir einen Riesenspaß, mit verschiedenen Mustern zu experimentieren und zu sehen, wohin mich meine Idee führt. Die übrigen 20% fühlen sich schon mehr wie “Arbeit” an. Das vor allem wegen der Zeitpläne, Abgabetermine oder dem Verwalten der verschiedenen Social Media Kanäle. Manchmal muss ich mir auch überlegen, welche Styles oder Projekte mein Publikum mögen könnte, und meine eigenen Wünsche müssen hintenanstehen. Aber ich liebe meine Arbeit! Der spaßige Teil erlaubt es mir, mit meinen Ideen herumzuspielen und vieles auszuprobieren, während der „Arbeitsteil“ mich dazu zwingt, stetig besser zu werden, Neues zu probieren und vielleicht auch Projekte anzugehen, die ich für mich allein nicht in Angriff nehmen würde.
Wie siehst Du Deine persönliche Entwicklung, wohin wird Deine Designreise in den nächsten Jahren gehen?
Mein langfristiges Ziel ist, ein Strickdesigner zu werden, der für seine unisex-Designs bekannt ist, für durchdachtes und modernes Design von Kleidung und Accessoires. Bisher waren Accessoires wie Tücher oder Mützen meine Komfortzone, und ich habe gerade erst mein erstes Kleidungsstück veröffentlicht. In den nächsten Jahren möchte ich mich mehr auf Kleidung konzentrieren und dabei verschiedene Stile und Formen umsetzen und verschiedene Techniken anwenden, um meine persönliche Vision von unisex-Kleidung sichtbar zu machen.
Und worauf können wir uns als nächstes von Dir freuen?
Mein nächstes Design wird ein Strukturpullover mit einem durchgängigen Lace-Muster. Dabei verwende ich Camel DK, das neue Garn, das dieses Jahr im Mai erschienen ist. Stellt euch darunter aber kein feminines Design vor, wie man bei dem Begriff “Lace-Muster” schnell denkt. Bei dem Pullover handelt es sich um meine Interpretation eines Unisex-Kleidungsstück mit einem Lochmuster, dass an allen Menschen jeglichen Geschlechts gut aussehen wird. Ich freue mich schon riesig darauf!
Zum guten Schluss: verrätst Du uns ein Fun Fact über Dich?
Als ich noch studierte, war es mein Ziel, Diplomat zu werden. Tatsächlich hatte ich die Möglichkeit, im Außenministerium von Taiwan als Übersetzer zu arbeiten. Dann bin ich jedoch in die Strickwelt hineingestolpert und habe diese Chance verstreichen lassen. Stattdessen habe ich mich auf meine neue Passion gestürzt und es bisher nicht bereut!