Von Pascuali
ANKESTRiCK ist seit Jahren eine feste Größe im deutschen Strickdesign. Ihre Designs sind klar, zeitlos schön und häufig sind sie raffiniert konstruiert. Fast alle Modelle von Anke werden nahtlos an einem Stück gestrickt, und alle sind sehr gut nachzuarbeiten, denn die Anleitungen sind durchdacht und gut verständlich aufbereitet.
Bei der Präsentation unseres Garns Manada war Anke sofort mit zwei Designs an Bord: mit dem Cardigan und Pullover REI – beide folgen ihrer unverkennbaren Design-Handschrift. Einfach typisch ANKESTRiCK.
Wir freuen uns nun sehr, Anke hier im Interview begrüßen zu können! Sie plaudert mit uns über ihre Designvorbilder, ihre Inspirationsquellen und natürlich über unsere Garne Manada und Tibetan.
Danke, dass Du uns ein paar Fragen beantwortest, liebe Anke!
Gleich vorweg eine ganz offensichtliche Frage: Wie bist Du auf Deine „Marke“ ANKESTRiCK gekommen? Und was hat es mit dem klein geschriebenen „i“ inmitten der Großbuchstaben auf sich?
Ich dachte, ich wäre besonders pfiffig, weil man das Wort ANKESTRiCK in Versalien einmal als Anke Strick, aber auch als Ankes Trick lesen kann. Aber bisher hat es noch niemand als Ankes Trick gelesen :)
Durch das kleine i entsteht in jeder Schriftart ein "Logo" und soll den Trick verbildlichen, das i-Tüpfelchen sozusagen, auch auf die Designs bezogen. Auch den Namen meiner Anleitungen schreibe ich in Versalien mit einem kleinen i, sofern es vorkommt. Also zum Beispiel REi. Eine Markenkennung.
Erzähl uns doch bitte, wie Du zum Stricken gekommen bist, und wer es Dir beigebracht hat.
Ehrlich gesagt weiß ich es nicht mehr. In meiner Erinnerung konnte ich es schon immer, so wie essen oder atmen. Es gab die gehäkelten Topflappen in der Schule und meine Mutter und meine Tanten haben viel gestrickt. So habe ich es wohl einfach nebenbei 'aufgeschnappt'. Dann habe einige Strickhochphasen mitgemacht. In der Schule unter der Bank (bei einigen Lehren erlaubt, bei anderen unerlaubt) ... während des Kunststudiums in der WG ... dann lange nicht.
Weißt Du noch, was Dein erstes fertiges Strickstück war?
Nein, leider auch nicht... Mir ging's auch damals mehr ums Stricken, als um das fertige Stück, obwohl ich manchmal alte Bilder finde auf denen ich Selbstgestricktes trage.
Erinnerst Du Dich noch an Dein allererstes eigenes Design, und magst Du uns erzählen, wie Du zur Strickdesignerin geworden bist?
Damals habe ich nie nach Anleitung gestrickt, immer Pullis oder Jacken einfach drauflos. Das Wort Maschenprobe sagte mir nichts, und als eigene Designs hätte ich die Sachen auch niemals betitelt. Aber einen Plan hatte ich immer, immerhin!
Man strickte ja klassisch in Teilen, die am Ende zusammengenäht wurden. Das Stricken hat Spaß gemacht, aber weil ich nicht gut nähen kann, sah es am Ende meistens irgendwie komisch aus.
Als ich dann nach einer langen Strickpause zu ravelry kam und die Möglichkeiten des nahtlosen Strickens von oben nach entdeckte, habe ich erstmal alles über Raglan gelesen und über Blogseiten gelernt wie man Größen ausrechnen kann. Und fand es unfassbar spannend. Meine erste Anleitung war dann ein Raglanpullover mit Kapuze und ich habe sie veröffentlich, einfach weil es ging und es viele Anfragen gab. Dieser Mix aus meiner Leidenschaft, immer mehr zu lernen, und dem Interesse von anderen für meine Sachen hat mich immer weitermachen lassen, bis ich einige Jahre später realisiert habe, dass ich nun wohl Strickdesignerin bin. Verrückt! Und der schönste Beruf der Welt. Ich bin unglaublich dankbar dafür.
Ein Design zu entwickeln und eine Anleitung zu schreiben ist sehr zeitaufwändig – hast Du ein Team um Dich, dass Dich unterstützt, oder machst Du alles allein?
Ich entwickle die Designs und schreibe die Anleitungen allein. Ich stricke alles selbst und schreibe alle Anleitungen erst auf English. Dann kommt die Phase des Teststrickens und ohne die Teststricker*innen wäre ich verloren. Die Tester*innen sind die größte Hilfe, nicht nur für die Anleitungen, auch lerne ich in punkto Passform immer wieder dazu und gebe oft mit an, wie man ein Design seiner Körperform anpassen kann. In der Phase danach habe ich großartige Hilfe von Imke Himstedt, die meine Gruppe auf ravelry betreut und die geduldigste und ausführlichste Fragenbeantworterin ist!!! Uschi Stanek übersetzt dann die Anleitungen ins Deutsche. Ganz super! Wir bekommen viele Komplimente für die gute Übersetzung.
Der überwiegende Anteil Deiner Designs sind Pullover und Cardigans – gibt es einen besonderen Grund, wie es zu dieser Leidenschaft gekommen ist?
Das ist super einfach... Ich stricke, was ich selber tragen möchte. Da ich kaum Mützen oder Schals trage, habe ich wenig Ideen für Accessoires. Es sei denn ich brauche gerade eines. Außerdem interessiert mich das „3D-Stricken“, wie ich es nenne. Also wie man z.B. eine gut sitzende Schulter formt aus einem Stück ohne Naht!
Kannst Du uns beschreiben, wie Dein Designprozess abläuft?
Prozess und Inspiration sind bei mir eng verknüpft, deswegen beantworte ich beide Fragen nachfolgend zusammen.
Du hast schon gut 100 Anleitungen veröffentlicht – eine beachtliche Leistung. Woher beziehst Du Deine Inspirationen?
Die REi Designs sind meine 101/102. Anleitungen in 11 Jahren. Ich gehöre also eher zu den langsameren Designern, weil ich oft lange an einem Design arbeite. Und ich könnte stundenlang darüber sprechen :)
Die Inspiration scheint immer unterschiedlich zu sein, aber über die Jahre erkenne ich 2 Hauptimpulse, die mich mit einem Design beginnen lassen:
Am meisten inspiriert mich die Konstruktion eines nahtlosen Stücks. Und die Konstruktion bestimmt bei mir dann das Design, konzeptionell und formal. Die Naima Strickjacke zum Beispiel hat eine Raglan-Konstruktion. Die Raglanzunahmen sind mit Umschlägen gestrickt, die ein Lochmuster ergeben, welches die Konstruktion sichtbar macht und gleichzeitig das Design bestimmt. Das Konzept habe ich dann auch in der Knopfleiste umgesetzt, die aus dem gleichen Lochmuster besteht, quasi Knopfloch an Knopfloch, wodurch man die Jacke knöpfen kann wie man möchte ohne sich Gedanken um Knopflochabstände machen zu müssen. Das Lochmuster ist also keine Deko, sondern eher andersrum, die sichtbare Konstruktion und/oder Funktion ist das Design. Rein dekoratives Stricken interessiert mich selten.
Zum anderen kann ich nicht nähen und muss also Sachen, die mir gefallen, in Gestricktes umsetzen ... Es müssen nicht immer Oberteile sein. Z.B. hatte ich mich in einen Rock von Dries van Noten verliebt und diesen Rock dann in einen Pullover umgesetzt :). Eine Herausforderung, die mir sehr viel Spaß macht.
Beide Interessen sind auch in den REi Designs vereint. Hier entstand das Design-Konzept aus der Manada, die, einfach verstrickt, einen wunderschönen halbtransparenten superleichten Stoff ergibt. Noch sichtbarer wird diese Leichtigkeit in Kontrast zu den doppelt gestrickten, blickdichten Streifen, die gleichzeitig die Konstruktion sichtbar machen und die nötige Stabilität geben. Die asymmetrischen Fronten der Jacke machen sichtbar, was man sonst als selbstverständlich erachten würde und sind meine Verbeugung vor der großen Modedesignerin Rei Kawakubo (Comme des garçons), die meinem Verständnis nach als Designerin Fragen stellt statt beantwortet. So toll!
Und natürlich inspirieren mich auch andere Strickdesigner*innen, wie Midiro Hirose, Marceline Smith oder Fatimah Hinds, von denen ich einiger meiner liebsten Kleidungsstücke gestrickt habe.
Hast Du spezielle Garnvorlieben? Was macht ein Garn für Dich zum perfekten Garn?
Ich glaube, ich lasse mich von Farbe am meisten leiten. Meine absolute Lieblingsfarbe ist ein Offwhite, ein Weiß mit einem warmen Grauton. Wenn ein Garn diesen Ton trifft ist mir die Qualität fast egal. Aber natürlich ist je natürlicher, nachhaltiger und ohne Mensch und Tier zu schaden desto besser ...
Du warst eine der ersten, denen wir unsere neuen Garne Tibetan und Manada zur Verfügung gestellt haben. Beschreibst du uns die Garne mit Deinen Worten? Wie war Dein spontaner Eindruck?
Ich bezahle ja grundsätzlich für meine Wolle und möchte mich dafür bedanken, dass ihr meinen Vorschlag, das Garn stattdessen einer der Tester*innen zur Verfügung zu stellen, angenommen habt, und natürlich für den großzügigen Rabatt!
Beide Garne habe ich zuerst über facetime bei ChrisBerlin gesehen und war gleich begeistert. Manada sah aus wie ein Mohair Garn, aber mit mehr Volumen. Und das war dann auch so, als ich es in Händen und auf den Nadeln hatte. Es ist nur noch weicher als gedacht! Und die Farben! .... das Weiß!!!!
Bei der Tibetan fand ich die Zwirnung toll auf dem Bild und dachte gleich, dass das ein super Strickbild geben wird. Aber das sie sich auch noch so butterweich stricken lässt und sich so butterweich anfühlt begeistert mich total! Und natürlich die Farben :)
Worauf dürfen Deine Fans sich als nächstes freuen?
Also ich freue mich sehr auf die Strickjacke aus Tibetan, die fast fertig ist, und ich hoffe natürlich, dass sich auch andere Stricker dafür begeistern :)
Und zum Abschluss noch eine Frage außerhalb der Strickwelt: Womit beschäftigst Du Dich, wenn Du mal nicht strickst?
Ich denke die Frage ist anders gemeint, aber was mich total beschäftigt, und meine „weiße“ Weltsicht so fundamental erschüttert hat wie ich es mit Mitte 50 nicht mehr für möglich gehalten hätte, ist die Rassismusdiskussion in der Strickcommunity, angefangen vor über 2 Jahren. Seither versuche ich mich weiter zu bilden und arbeite an 2 Leitsätzen die mir besonders einprägsam waren und sind:
- Wenn sich eine Tür für dich öffnet, versuche mindestens eine Person, die marginalisierter ist als du, mit hindurch zu nehmen (Aja Barber)
- Ein Architekt antwortet mit Häusern, ein Bauer antwortet mit Kartoffeln. (Arno Brandlhuber)
Eine Strickdesignerin antwortet mit knitwear ... Damit meine ich, dass jede*r in seinem / ihrem Bereich etwas tun kann!